Persönliches Reise-Learning aus Äthiopien: Wünsche existieren nicht
In einer der abgelegensten Regionen Afrikas, im Omo-Delta von Äthiopien, durfte ich an einem frühen Morgen bei der ethnischen Gruppe der Hamer eine besondere Erfahrung machen. Und dies alles nur wegen einer einzelnen Frage über das Wünschen, die ich dem Familienoberhaupt stellte. Die Antwort öffnete mir für vieles im Leben die Augen.
Auf ins Abenteuer Äthiopien
Äthiopien war für mich wie eine Reise in eine andere, unglaublich beeindruckende Welt. Das Land gehörte als einziger afrikanischer Staat nie einer europäischen Kolonialmacht an. Und wusstest du, dass es einer der ältesten Staaten der Welt sowie das älteste Land Afrikas ist?
Dies wirkte faszinierend auf mich und meinen Partner und so führte uns unsere Reise in das Omo-Tal im Südwesten von Äthiopien. In dieser Region gibt es keine asphaltierten Strassen und so holperten wir mit dem 4×4 viele Kilometer und Stunden über staubige Pisten. Was wohl mitunter auch der Grund ist, warum sich noch nicht so viele Touristen hierhin verirren.
Entlang des Omo-Flusses leben ganz unterschiedliche Volksstämme. Die bekanntesten darunter sind die Mursi, Karo und Hamer. Meine Geschichte schildert ein Erlebnis, welches ich beim Stamm der Hamer erleben durfte. Unser Guide kannte dort eine Familie, die wir besuchen und sogar bei ihnen übernachten durften.
Einkommen und Kommunikation der Hamer
Die Hamer leben als Bauern und ihr Einkommen wird anhand von Rindern und Ziegen gezählt. In dieser Abgeschiedenheit können die meisten nicht lesen oder schreiben. Bei Geschäften, wo es etwas zu Essen gibt, steckt daher ein Stecken an der Strasse mit einem Teller daran. Um anzuzeigen, dass es Alkohol gibt, wird der Teller mit einer Tasse ausgetauscht. Einladungen zu Feierlichkeiten werden mit einer Liane-ähnlichen Pflanze, welche wie eine Schnur aussieht, übermittelt. Anhand der Knöpfe in der Schnur weiss man, in wie vielen Tagen das Fest stattfinden wird.
Unsere alten Mobiltelefone haben übrigens bei der jungen Generation dankbare Abnehmer gefunden. Es wird allerdings nur telefoniert, da ihnen das Schreiben wie gesagt fremd ist.
Die Übernachtung bei der Familie
Gegen Abend erreichten wir die Familie, welche in einfachen Hütten nahe dem Ort «Turmi» lebt. Gerade noch rechtzeitig, um mitzuerleben, wie sie die Ziegen melken und sich um die Rinder kümmern. Es war faszinierend zu sehen, wie sie mit der Natur im Einklang leben. Kuhhäute dienen als Schlafmatte, eine Art Busch wurde zu einem Zaun für die Tiere umfunktioniert und die Frauen reiben sich ihre Haare mit Ton und Butter als Schönheitssymbol ein. Im Dorf gibt es weder Strom noch fliessend Wasser und die «Toilette» ist bei den Ziegen angesiedelt.
In der Mitte ihres Grundstücks durften wir unser Zelt aufschlagen. Die Kinder waren am Anfang sehr scheu, aber als die Nacht hereinbrach, wurde auch meine Haut dunkler und so schien ich bald zu ihnen zu gehören. Sie schmiegten sich so fest an mich, dass ich das Gefühl hatte, dass der Ziegenduft, welcher von ihnen allen ausging, mehr und mehr in meine Hautzellen eindrang. Mich störte das jedoch nicht, ich war in diesem Moment einfach nur glücklich. Der Duft verschwand dann auch irgendwann aber ihr fröhliches Lachen hat sich tief in mein Herz gebrannt.
Die Nacht war geprägt von einem klaren Sternenhimmel, wie ich ihn nur in Äthiopien je gesehen habe. Ohne Lichteinflüsse fühlten ich mich den Sternen unglaublich nah. Erschöpft von all den unglaublichen Eindrücken des Tages, haben wir so fest geschlafen wie zwei Steine.
Die Einladung zum Teetrinken
Am nächsten Morgen wurden wir zum Teetrinken in eine der Hütten eingeladen. Sie war geräumiger, als es der äussere Anschein vorgab und so füllte sie sich immer mehr, bis wir eng aneinander geschmiegt der Hamer-Frau fasziniert beim Tee aufgiessen zusahen. Dieser wurde uns, in Schalen verteilt, überreicht. Der Tee-ähnliche Aufguss stammt aus der Hülse der Kaffeebohne. Uns schmeckte es so gut, dass wir den angebotenen Nachschlag gerne annahmen.
Wir sammelten Punkte
Und mit dieser kleinen Handlung hatten wir uns unbewusst innert Sekunden in ihre Herzen geschlichen. Wir waren zwar nicht die ersten Touristen, die sie besuchten, aber offenbar hatte vor uns aber niemand wirklich den Tee getrunken, geschweige denn den Nachschlag angenommen.
Und so kam es, dass uns das Oberhaupt der Familie eine Frage stellte. An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass trotz unseres Guide Chuchu nochmals ein Übersetzer nötig war, um ihre Sprache, die Hamer-Banna, zu verstehen. Das Oberhaupt fragte uns, wie die Menschen reagieren würden, wenn er, genauso wie er jetzt vor uns sass, in unserem Land ankommen würde. Wir antworteten ihm, dass die Schweizer sicherlich sehr überrascht sein würden, aber gleichzeitig auch neugierig und interessiert an ihm und seiner Kultur. Es würden alle wissen wollen, woher er komme und was er in der Schweiz mache.
Die entscheidende Frage
Daraufhin nutzte ich die Gunst der Stunde und stelle ebenfalls eine Frage: «Was würdest du dir wünschen, wenn du heute einen Wunsch frei hättest?».
Die Antwort liess lange auf sich warten, da das Gespräch immer wieder zwischen unserem Guide Chuchu, dem Übersetzer und dem Familienoberhaupt hin und her ging, bis uns Chuchu erklärte, dass es ein Problem mit der Übersetzung gäbe.
Er erklärte uns, dass in der Sprache der Hamer das Wort «Wunsch» nicht existiere.
Das Wort «Wunsch» existiert nicht! Wir waren total baff.
Ich kam mir seltsam vor, weil wir es uns als Schweizer einfach gewöhnt sind, dass wir uns etwas wünschen können. Als Kinder wachsen wir damit auf, dass wir uns etwas wünschen dürfen, was wir dann meist auch bekommen. Später wünschen wir uns dann eine schönere Wohnung, mehr Lohn, einen besseren Job, einen tollen Urlaub und vieles mehr.
Chuchu erklärte uns, dass die Hamer mit dem leben, was sie besitzen und daraus das Beste machen.
Meine Erkenntnisse
Sich etwas zu wünschen existiert bei den Hamer nicht und dies hat mich Verschiedenes gelernt:
- Sei zufrieden mit dem, was du hast und sei dankbar dafür.
- Wenn du unzufrieden bist, dann tue etwas dafür, damit es sich ändert.
- Sich etwas zu wünschen und dann zu erwarten, dass es jemand anderes für dich erfüllt oder es plötzlich vom Himmel herunterfällt, bringt dich nicht weiter.
- Wünsche können wahr werden, aber du musst etwas dafür tun.
Jedes Mal, wenn ich mir wieder etwas wünsche, denke ich an dieses Erlebnis zurück, um mir selbst klarzumachen, dass ich dafür auch etwas unternehmen muss. Wir können alles erreichen, was wir uns wünschen, solange wir bereit sind, einen Schritt weiter zu gehen und aktiv zu werden.
Ich bin so unglaublich dankbar, dass Äthiopien mir diese Erfahrung geschenkt hat und ich freue mich, sie hier mit dir teilen zu dürfen.
Über Nicole
Nicole Bühlmann ist diplomierte Life Coach und Mentaltrainerin und verbindet das Reisen mit der Persönlichkeitsentwicklung. Reisen bedeutet für sie weiterzugehen, sich zu verändern, sich selbst zu erkennen und eine andere Perspektive auf den eigenen Alltag zu erhalten. In ihren Coachings, Workshops und Seminaren begleitet sie Frauen auf der Reise zu sich selbst. Dabei erwecken Frauen auf der von ihr entwickelten «Heldinnenreise», die eigene Heldin zum Leben und dürfen erkennen, was sie wirklich wollen und wer sie wirklich sind. Um den eigenen, authentischen Weg zu gehen. Weitere Informationen unter heldinnenreise.ch oder folge ihr auf Instagram.
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