Auf der Seidenstrasse von Kirgistan via Kasachstan nach China
von Jeanine Reinhard
Sary Mogul mit Peak Lenin
Kaum haben wir Tadschikistan hinter uns gelassen, verändert sich die Landschaft. Eine Weite aus Grün mit weissen Farbtupfern, die sich als Yurten entpuppen, erwartet uns. Die Natur ist noch sehr ursprünglich und unberührt. Abseits der Strassen hat es höchstens Schaf- und Kuhherden, die von Reitern in traditioneller Kleidung getrieben werden. Wir sind begeistert! Die erste Nacht verbringen wir in einer Yurte und erwachen am nächsten Tag in einer der schönsten Gegenden überhaupt: inmitten einer Vielzahl von begrünten Hügeln mit kleinen Seen und schneebedeckten Bergen im Hintergrund.
Osh
Über einen hohen Pass führt unser letztes Teilstück des Pamir Highway nach Osh, der wichtigsten Stadt im Süden von Kirgistan. Ich klebe am Fenster und lasse die unglaubliche Landschaft an mir vorbeiziehen. Osh ist eine Kleinstadt mit viel Verkehr und einigen wenigen Sehenswürdigkeiten. Wir ruhen uns aus und treffen Freunde. Osh dient hauptsächlich als Ausgangspunkt für den Pamir Highway oder die Weiterreise nach Usbekistan.
Bishkek
Mit einem «Shared Taxi» erreichen wir nach 12 Stunden Bishkek. Wir sind froh, als wir ankommen, denn unser Fahrer rast in einer unglaublichen Geschwindigkeit. Bishkek wirkt modern, es gibt hier eine Vielzahl an Statuen und sogar ein relativ modernes Einkaufszentrum. Wir gönnen uns nach Langem wiedermal italienisch angehauchte Pizzas, georgisches Essen und gehen für CHF 1.20 ins Kino, wo wir «The Lion King» schauen.
Ala-Artscha-Nationalpark
Kirgistan ist das Trekkingland schlechthin, zumindest in Zentralasien. Nur eine Handvoll Wege sind professionell beschildert, ansonsten gilt Zelt und Selbstversorgung. Wir entscheiden uns für einen Tagesausflug in den Ala Archa Nationalpark südlich von Bishkek, wo wir eine relativ anstrengende Wanderung zu einem Wasserfall und einem Gletscher unternehmen. Die Landschaft erinnert uns an die Schweiz.
Weiterreise nach Kasachstan
Mit einem Minivan lassen wir uns über die Grenze in die sehr europäische Stadt Almaty bringen. Almaty und Umgebung haben sehr viele Naturschönheiten zu bieten. Auch hier unternehmen wir eine Tageswanderung in Kok Zhailau. Die Aussicht ist fantastisch, die Einheimischen kommen übers Wochenende in Scharen mit Zelten auf den Berg, um die Ruhe zu geniessen.
Kaindy und Kolsai Lakes
Der öffentliche Verkehr zu den Sehenswürdigkeiten rund um Almaty ist nicht besonders gut ausgebaut. Mit viel Ehrgeiz und Verhandlungsgeschick schaffen wir es doch noch, ein Fahrzeug zu finden, das uns ins kleine Dorf Saty bringt. Von hier aus unternehmen wir Tagesausflüge zum Kaindy-See, wo abgestorbene Baumstämme wie Nadeln aus dem Wasser ragen, und zu den Kolsai-Seen. Die Landschaft erinnert uns auch hier an unsere Heimat.
Scharyn-Canyon
Wir quetschen uns mit Einheimischen in ein kleines Auto und lassen uns an der Hauptstrasse absetzen. Von hier aus schaffen wir es, mit Autostopp zum Scharyn-Canyon zu gelangen, dem Grand Canyon von Kasachstan. Die Hitze ist fast nicht aushaltbar, aber die unglaubliche Aussicht man das Ganze wett.
Jyrgalan Valley
Über eine von Touristen selten benutzte Grenze gelangen wir mit Glück und Autostopp nach Karakol. Karakol ist DER Ausgangspunkt für Trekkings in der Region. Ein Geheimtipp ist das Jyrgalan-Tal, wo eine Familie den Tourismus aufgebaut und so vielen Dorfbewohnern ein besseres Leben ermöglicht hat. Wir unternehmen zwei Wanderungen, die uns an unberührte Orte führen. Die Aussicht ist fantastisch, neben uns freilebende Pferde und überall blühende Edelweisse. Wir sind begeistert!
Fairytale Canyon
Ein weiteres Highlight ist der Skazka Canyon entlang des riesigen Issyk-Kul-Sees, der in den verschiedensten Farben und Formen leuchtet. Wir kletterten herum und knipsten Unmengen an Fotos. Definitiv ein Stopp wert!
Son Kul See
Wie man sieht, gibt es in Kirgistan sehr viele schöne Seen. Und auch viele Berge. Der Son Kul See gilt als einer der schönsten von Kirgistan. Besonders beliebt ist die Übernachtung in einer Jurte. Wir entschieden uns für ein Pferdetrekking, was wir inzwischen bereuen, da die Pferde nicht gut behandelt werden. Zudem ist es sehr ungemütlich und auch teilweise gefährlich. Die Jurten sind inmitten des grünen Grases leicht zu erkennen. Nachts leuchten die Sterne tausendfach am Himmel.
Grenzübertritt nach China
Nach einem Umweg über Bishkek, einem Flug von dort nach Osh und der Weiterfahrt im Minivan nach Sary Tash, steht uns nun der schwierigste Teil unserer Reise bevor: Der Grenzübertritt nach China über den Irkeshtam-Pass. Dieser ist von Touristen aufgrund der vielen Kontrollen seitens der Chinesen gefürchtet. Und tatsächlich: Etwa ein Dutzend Mal müssen wir unseren Pass zeigen, wir werden ausgefragt, unsere Mobiltelefone geprüft, unser Gepäck mehrfach geröntgt und zusätzlich zeichnet eine Vielzahl an Sicherheitskameras jeden Schritt auf. Xinjiang ist die Provinz, in der die ethnische Minderheit der Uighuren, der chinesischen Muslime, lebt. Die Gegend ist problembehaftet, weshalb die Sicherheitsvorkehrungen immens sind.
Ankunft in China
Endlich kann ich mich mit den Leuten wieder verständigen und das Essen ist vielfältig und lecker. Kaum haben wir die Kirgistan hinter uns gelassen, wartet eine Smogglocke auf uns. Kashgar ist eine riesige Stadt, alle 20 Meter hat es Sicherheitskameras, und als wir einen Supermarkt betreten wollen, müssen wir unseren Pass zeigen und unsere Taschen werden durchsucht. Für uns ist die Stadt spannend, denn einerseits spürt man den muslimischen Einfluss, den man beim Essen, in der Architektur sowie den Gesichtern der Menschen sieht, andererseits aber den han-chinesischen Einfluss, der an den Rest von China erinnert.
Ürümqi
Wir fahren mit einem Nachtzug weiter nach Ürümqi, der grössten Stadt in der Provinz. Wir schaffen es, das Schweizer Taschenmesser unbemerkt mitzuschmuggeln. Ürümqi überrascht und enttäuscht uns gleichzeitig. Die Stadt ist typisch chinesisch und gleicht jeder anderen chinesischen Stadt aufs Auge. Gleichzeitig freuen wir uns, weil das bedeutet, dass wir uns auskennen. Wir fühlen uns hier auch schon ein bisschen freier. Der muslimische Einfluss ist nur dezent spürbar oder wirkt aufgesetzt. Nichtsdestotrotz gibt es hier einige Moscheen, die nicht so recht zu den chinesischen Tempeln passen wollen.
Heisse Tage in Turpan
Weiter geht es nach Turpan, einer Stadt in der Wüste. Viele Häuser hier sind aus Lehm gebaut und es ist unglaublich heiss. Wir unternehmen einen Tagesausflug und besuchen Ruinen, traditionelle Dörfer und geniessen die Landschaft. Die Stadt wirkt definitiv wieder muslimischer.
Dunhuang
Die Anreise nach Dunhuang ist nicht sehr praktisch, da sich der Schnellzugbahnhof weit ausserhalb der Stadt befindet, und wir erst noch zwei Stunden im Minivan fahren müssen. Dafür sind wir sehr schnell begeistert von Dunhuang. Die Stadt wirkt gemütlich und klein, die Einwohner sehr freundlich. Abends besuchen wir den Nachtmarkt, trinken Bubble Tea und essen leckeres chinesisches Essen in einem der vielen Restaurants. Am nächsten Tag besuchen wir die Mogao-Grotten mit ihren Malereien und Buddhafiguren sowie die Sanddünen direkt vor der Stadt.
Endlich wieder leckeres Essen
China ist ein Traum, was Essen betrifft! Man könnte wohl täglich ein anderes Gericht essen und hätte die vielfältigen Gerichte trotzdem noch nicht allesamt gekostet. Nach den Stan-Ländern und ihrem fleischlastigen Essen ist Chinas Küche für uns definitiv ein Genuss! Wir freuen uns über Knoblauch-Broccoli, Mapo Tofu, Jiaozi und viele weitere Leckereien. Auch bei den Bubble Teas können wir uns nicht zurückhalten und nehmen die paar Kilos, die wir zuvor verloren haben, rasch wieder zu.
Die Grosse Mauer von Jiayuguan
Den nächsten Halt legen wir in Jiayuguan ein. Westliche Touristen kann man hier wie auch in den Orten zuvor an einer Hand abzählen. Hier kann man die Overhanging Great Wall bewundern, die leider restauriert ist. Die paar wenigen Sehenswürdigkeiten klappern wir an einem Tag ab.
Die Rainbow Mountains von Zhangye
Zhangye verzaubert uns mit seiner Landschaft. Ausserhalb der Stadt im Danxia National Geological Park bewundern wir gemeinsam mit gefühlt Abertausenden von Chinesen die regenbogenfarbigen Hügel. Etwas entfernt befindet sich das Ice Valley mit nur einem Bruchteil an Touristen, das uns trotz Musik-Beschallung aus Lautsprechern aufgrund der speziellen Gesteinsformationen an einen amerikanischen Nationalpark erinnert.
Lanzhou und Umgebung
Ab Lanzhou werden wir endlich nicht mehr auf Schritt und Tritt von Kameras überwacht. Das Herumreisen fällt einfacher. Von hier aus unternehmen wir Ausflüge in die ehemals tibetischen Orte Hezuo und Xiahe, die man ohne Permit selbstständig besuchen darf. Wir sind beeindruckt von der anderen Archtitektur und den Menschen in ihren traditionellen Gewändern.
X'ian und Huashan
Da wir vor Jahren die Stadt Xi’an mit seiner Stadtmauer und der berühmten Terracottaarmee bereits besucht haben, entscheiden wir uns dieses Mal für einen Ausflug zum Berg Huashan, wo sich der gefährliche Plank Walk befindet. Wir unterschätzen die chinesischen Touristenmassen jedoch völlig: Frühmorgens um 06 Uhr 30 Uhr nehmen wir die erste U-Bahn zum Nordbahnhof von Xi’an. Aufgrund der vielen Warteschlangen vor dem Eingang, nach dem Eingang sowie vor der Gondelbahn, erreichen wir die Bergspitze aber erst um 14 Uhr. Die Aussicht von oben ist atemberaubend, der Plank Walk leider gerade «under construction».
Ende in Beijing
Nach drei Monaten Reise erreichen wir schliesslich die Hauptstadt von China, Beijing. Für mich ist es ein Nachhausekommen, da ich hier etwa ein Jahr meines Lebens verbracht habe. Beijing ist ein toller Mix aus Tradition und Moderne mit vielen Sehenswürdigkeiten wie dem Sommerpalast, der Verbotenen Stadt oder der Grossen Mauer.
Angaben Reisebericht
Tipps
In China sind viele Websites/Apps wie Google, Facebook, WhatsApp etc. gesperrt. Unbedingt vorher eine VPN herunterladen, um diese Seiten trotzdem nutzen zu können.
Kirgistan: Unbedingt trekken gehen, denn die Natur ist noch praktisch unberührt. Ein GPS kann hilfreich sein.
Provinz Xinjiang in China: Es darf kein Taschenmesser im Zug mitgeführt werden.
China: Zugfahren ist wie Fliegen – genügend Zeit einrechnen für Passkontrolle etc.
